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  • AutorenbildDie Autorität

Die Reise


Er sah sich um, auf der grünen Wiese, auf der er gestrandet war, heraus gekrochen aus der Erde Schatten. Hier war alles so schön bunt, die viele Blumen verströmten einen angenehmen Geruch. Er konnte sich kaum satt sehen an den vielen Wundern, die diese Umgebung zu haben schien. Unter dem sonnigen blauen Himmel lag er da, konnte nur gucken, nein starren und genießen. Sein Glück kaum fassen hier zu sein und all das betrachten zu dürfen, auch wenn er den Sinn der einzelnen Eindrücke nicht verarbeiten konnte - es waren schlicht zu viele. Schon bald lernte er, die Dinge kennen, konnte einzelne Dinge voneinander unterscheiden, sie beim Namen nennen. Ja so fühlte er sich als bald wie der Herrscher, der Entdecker dieser Dinge. So stark wie ein riesiger Fels musste er sein, wo er doch all dies entdeckt hatte, er ganz allein. spielend, rollend taumelnd rannte er durch das Wiesenkleid, sprang hier hin, sprang dorthin und merkte gar nicht, wie es langsam Mittag wurde.

Doch als zu bald merkte er, dass er nicht allein war. Auf seiner schönen Wiese sah er doch plötzlich andere Geschöpfe. Ganz unverdrossen ging er, das kleine Ding, auf die Fremden Menschen zu. Ganz unverblümt und ungeniert fragte er nach allen Dingen. Ja er war so wissbegierig, konnte es kaum lassen, nach den Dingen auf der schönen Wiese zu fragen. Schon bald spielten sie in Einigkeit, rollten über die Wiese, wälzten sich durch Büsche und Bäume und genossen ihr Dasein. Nun war er zwar nicht mehr der stärkste, aber allein war er auch nicht mehr und in Gesellschaft, da machte alles doch erst so richtig Spaß.

So zog die Sonne langsam ihren Kreis und stand als bald hoch am Himmel. So langsam, fand er gar keinen Gefallen mehr daran, freudig über die Wiesen zu springen und all diese schönen Pflanzen zu betrachten und sich an ihrer Schönheit zu laben. Er begann sich zu fragen, was er eigentlich hier machte. Wieso war er überhaupt hier und was sollte er hier. Hätte er vorher gewusst, dass er so auf des Fragen Kernes stoßen würde, so hätte er sicher zweimal überlegt, vielleicht doch auf seiner Wiese zu bleiben. Doch er war es nach so kurzer Zeit schon leid, hier auf diesem kleinen Fleck zu leben, wollte er doch selbst sehen, was es noch zu entdecken gibt. So ging er mit etwas mulmigen Gefühl, dessen er sich nun zum ersten Mal gewahr wurde los, um mehr zu sehen. Er stiefelte los und versuchte seinen Blick soweit es geht, Richtung Horizont zu wenden. Doch soweit er auch zu blicken versuchte, es war kein Ende in Sicht. Stets blieb ein blauer flackernder Punkt am Horizont über, den er nicht zu ergründen vermochte. Er merkte plötzlich, wie es dunkler wurde und richtete seinen Blick nach oben, gen Himmel. Da merkte er, dass der Himmel auf einmal nicht mehr so blau war. Viel mehr sah er, dass da komische Gebilde am Himmel schwebten, die irgendwie furchteinflößend aussahen, so dunkel wie sie waren. Doch er ließ sich nicht beirren, ging weiter seiner Wege und versuchte das Himmelszelt nicht zu beachten. Doch mit jedem Schritt, den er machte, verfinstere sich seine Umgebung. Es wurde langsam erdrückend und er bekam es mit der Angst zu tun. Als bald kroch er nur noch über den Boden, kam kaum mehr voran und konnte auch nicht mehr weit voraussehen. So verharrte er einige Minuten am Boden. Über ihm zuckten Lichter über den Himmel und ein lautes ohrenbetäubendes Grollen war zu hören. Er versuchte sich auf zu raffen, stolperte durch die Finsternis, viel hier und viel dorthin und merkte gar nicht, wie die Sonne hinter den Wolken weiter ihren Kreis zog.

Er rappelte sich auf. In seinem Kopf wuchs eine Frage, wie ein Samen der langsam in der Erde keimt. Er sehnte sich nach seiner Wiese, nach den schönen Blumenkleid, dass in allen Farben leuchtete. Er guckte sich um und merkte, dass der Himmel über ihm schon ein wenig heller war und dass dieser schreckliche Lärm und das flackern aufgehört hatten. Er wagte es, einen kleinen flüchtigen Blick zurückzuwerfen, über seine Schulter. Weit gekommen war er freilich nicht, doch merkte er schnell, dass er den Weg zurück nicht mehr kannte. So warf er schnell den Blick lieber wieder nachvorne, das war schließlich einfacher, er musste nur weitergehen.

Er traute sich noch einmal kurz den Blick nach rechts und links zu werfen, als er plötzlich sah, dass dort etwas in der Ferne flackerte. Er ging darauf zu, in der Hoffnung, diese einsame Stille, die nun auf dieser Wiese herrschte, nicht mehr allein ertragen zu müssen. Und tatsächlich, dort waren viele andere Menschen. Sie begrüßten ihn, wie einen alten Freund und nahmen ihn gut in ihre Gesellschaft auf. Er merkte, dass er doch nicht allein war und dass es viele gab, die wie er durch die Gegend wanderten, stets auf der Suche nach etwas Neuem. Die meisten unter ihnen wussten genauso wenig wie er, wie sie hier hingekommen waren, sie wussten nur, dass sie alle hier waren.

So ging er mit einigen von ihnen weiter seiner Wege. Doch schon bald wurde ihm gewahr, dass der Himmel über ihm nicht gerade klarer wurde. Zwar hatte er sich schon wieder ein wenig gelichtet, sodass hin und wieder ein Sonnenstrahl den weg hindurch fand, doch den Horizont, den konnte er immer noch nicht sehen. Also ging er weiter immer weiter, merke nicht, wie seine Gefährten weiter und weiter hinter ihm zurückblieben. Sie versuchten ihn zu halten, ihn zu rufen, doch er hörte sie nicht mehr. Sein Blick war stur und Star nach vorne gerichtet, so stapfte er mal hier und mal dorthin, während die Sonne nun ihren höchsten Punkt erreicht hatte.

Erst jetzt viel es ihm auf, dass er plötzlich wieder allein war, wagte ein Blick über die Schulter, doch jetzt könnte er niemanden mehr sehen, dafür war es zu spät. Über viele holprige Steine war er gegangen, er hatte viel gesehen, aber doch nicht richtig hingeguckt, nicht das Auge gehabt für die Schönheit, die ihn eigentlich schon die ganze Zeit begleitet hatte. Ihm wurde gewahr, dass er eigentlich gar keine Lust mehr hatte, immer weiter zu laufen, ohne zu wissen wohin. Hatte er doch feststellen müssen, dass der Blick nach vorne, ihn blind gemacht hatte. Da waren sie wieder die Sehnsüchte nach seiner Wiese, damals als alles noch so einfach war, so vertraut und schön.

Er drehte sich also um, doch stellte fest, dass er auch in dieser Richtung immer den Horizont vor Augen hatte, der sich drohend vor ihm aufbaute. Auch zu rechten und zur linken war es nicht besser. So tapste er unsicher mal hier und mal dorthin, ohne recht selbst zu wissen, wohin er eigentlich gehen wollte. So lief und lief, von Fleck zu Fleck, von Ort zu Ort. Den Blick immer gen Horizont gerichtet, sodass er gar nicht merkte, dass er seine Wiese von damals, seine vertraute Umgebung längst wieder erreicht hatte. Er blieb blind für all die Schönheit, die ihn umgab. Mal lief er sicheren Fußes seiner Wege und mal schien es fast, als kröche er nur durch die Gegend. Er merkte weder, wenn die Sonne schien, noch wen er im kalten regen lief. So senkte sich die Sonne langsam und zog gen Norden.

Doch unbeirrt lief unser Mann, mit dem einen Fuß hier und dem anderen Fuß dorthin, den Blick immer noch auf den Horizont gerichtet, den er zu erreichen versuchte. Er wurde langsam müde und die Kräfte gingen ihm aus. Ein tiefes Unbehagen befiel ihn, die Nacht vielleicht allein verbringen zu müssen. Und was sollte schon danach kommen, er wusste es nicht. Er blieb stehen, blickte sich um, warf einen Blick über die Schulter und ihm wurde gewahr, dass es nun zu spät war. Er erinnerte sich an seine Wiese, da war alles noch gut gewesen. Er war aufgebrochen, um noch mehr solcher schöneren Orte zu finden, doch hatte unterwegs vergessen, nach diesen Ausschau zu halten. Er merkte jetzt, dass er eigentlich an ganz vielen schönen Orten gewesen war, doch immer weiter neue sehen wollte. Und irgendwann hatte er schließlich ganz vergessen, dass schöne zu sehen, hatte einfach vergessen sich umzusehen. Hatte den Blick nur in die Ferne gerichtet. Ja, jetzt erkannt er es, er hatte einen ganzen Tag verschwendet. Schon senkten sich die letzten Sonnenstrahlen, über dem Bergeskamm. Der Wind strich ihm ein letztes Mal durch die Haare und schließlich wurde es Stock Finster. Was jetzt kommen würde, er wusste es nicht.

Er wusste nur, dass die Suche nach dem Horizont ihm offenbar kein Glück gebracht hatte.

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